Dieses Buch liest sich am besten im Querformat
Habt ihr schon einmal von dem Land Langenzopf gehört? Nein?
Also, dann will ich euch nun von ihm und seinen Einwohnern und ganz besonders von der außergewöhnlichen Witwe Storch erzählen.
Dieses einzigartige und wunderschöne Land liegt fern im hohen Norden. Da es wie ein langer Zopf weit in das Meer hinausragt, wird es schon seit Urzeiten von seinen Bewohnern Langenzopf genannt. Die Winter sind hier kalt und lang, die Sommer sind zwar kurz, aber dafür von einer prickelnden und luftigen Frische und voller Lebendigkeit Tiefe Tannenwälder bedecken den größten Teil des Landes.
Hier und da sieht man ein kühnes Blau durch das Grün der schweren und dichten Äste der Nadelbäume auftauchen. Dies sind die Waldseen. Im Sommer blinzeln sie im Sonnenlicht, im Winter gefrieren sie zu starrem, durchsichtigen Eis.
Wenige Kilometer von der kleinen Stadt Haarnadel entfernt, lebt Witwe Storch seit vielen Jahren allein in ihrer Villa. Von der Landstraße, die von Schuppenhausen nach Haarnadel führt, zweigt an einer Stelle ein kleiner Waldweg ab: die Zufahrt zu Witwe Storchs Wohnsitz. Nur das Schild mit der ehrfurchteinflößenden Aufschrift: ,,PRIVAT" macht auf diesen Pfad aufmerksam, der ganz versteckt zwischen dunklen Tannen liegt.
Er führt eine ganze Weile geradeaus und mündet dann in einer scharfen Kurve. Ein paar Schritte weiter lichtet sich der Wald und es wird auf einmal überwältigend hell. Und dann taucht sie vor euch auf: Die herrliche Villa der Witwe Storch! Gebaut aus unzählig vielen Tuffsteinen und blendend weiß gestrichen. Nur die Fensterklappen heben sich knallrot ab. Die linke Seite des Gebäudes nimmt ein runder Turm mit einem Spitzdach ein. Hoch oben thront ein Wetterhahn.
Nur wenn ihr genau hinschaut, seht ihr keinen Hahn sondern einen Storch. Breite Treppenstufen führen zur gelb getünchten Eingangstür. Drei schwere Säulen stützen einen Balkon, der sich majestätisch über dem Eingang erhebt. Die Villa ist so riesig, dass allein im Schlafzimmer zwei Fußballmannschaften gegeneinander spielen könnten. Und selbst in der Speisekammer würden dreißig Elefanten-Ehepaare Platz finden. Umschlossen wird das Anwesen von einem weitläufigen Park, dessen Bäume von Gärtnern der Firma Maulwurf& Söhne regelmäßig gestutzt werden.
Hier lebt sie nun, unsere gute Witwe Storch. Sie selbst ist die Eleganz in Person. Riesige Ohrringe baumeln ihr wie zwei Hula-Hoop-Reifen an den Ohren und klimpern geheimnisvoll bei jeder Bewegung. Diese kostbaren Schmuckstücke hat sie auf einer ihrer vielen Reisen in Safarika von einem Medizinmann geschenkt bekommen.
Witwe Storch benutzt außerdem jeden Morgen nach ihrem Milchbad ein exklusives Parfüm, das aus Melonenextrakt, gepressten Rosenblüten und Kürbiskraut besteht und aus Croissant stammt. Trotz ihrer erlesenen Vornehmheit ist Witwe Storch jedoch keineswegs hochschnäblig, wie so mancher angesichts ihres Reichtums vielleicht denken könnte.
Im Gegenteil, sie ist sehr hilfsbereit und in Kinder geradezu vernarrt.
Gerne spendet sie jedes Jahr zu Weihnachten ein kleines Vermögen an das Waisenhaus in Haarnadel. Da kann der Direktor Till Feldhase nur mit seinen Löffeln schlackern, wenn sie ihm den Beutel Diamanten, auf den er satte zwölf Monate gewartet hat, wieder in die Pfoten drückt.
Allerdings, wie reich Witwe Storch wirklich ist, weiß niemand so genau. Gerüchte und Spekulationen über dieses Thema erfüllen gewöhnlich die Gespräche auf dem Wochenmarkt.
"Hast du schon von der neuen Perlenkette der Witwe Storch gehört?", fragt Gertrud Gans die alte Jungfer Elli Eule vor dem Gemüsestand. "Die muss mindestens so viel wert sein wie der Harem eines Scheichs."
,,Nein", erwidert Elli Eule, nicht weiter auf diesen merkwürdigen Vergleich eingehend. "Aber weißt du schon von dem Menü, das dem Bürgermeister Frosch letzte Woche in der Villa serviert wurde? Es soll Kaviar aus Salatschüsseln gegeben haben!" ,,Sagenhaft!" staunt Gertrud Gans und fährt sich mit den Flügeln an den Kopf. "Was für ein Luxus!"
Und während die beiden so eifrig spekulieren und Geldsummen hin- und herwälzen, bemerken sie nicht, dass der Mond längst aufgegangen ist und die Markthändler ihre Stände geschlossen haben.
Es gibt jedoch einen Tag im Jahr, an dem das Vermögen der Witwe Storch überhaupt keine Rolle spielt: Immer am 13. Juli veranstaltet sie nämlich ihre berühmte Party, zu der alle Bürgerinnen und Bürger von Haarnadel eingeladen sind und sich am Reichtum der Witwe erfreuen können. Vielleicht fragt ihr euch jetzt, warum sie jedes Jahr zu dieser Feier einlädt. Eine gute Frage, denn es war nicht immer so. Als Herr Storch noch lebte, überwinterten die beiden jedes Jahr in einer Hütte in Safarika. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, sind so lange Flugreisen auch für Störche eine große Anstrengung.
Kein Wunder, dass nach einer dieser weiten Reisen Frau Storchs Gatte über furchtbare Rückensehmerzen klagte. Am nächsten Tag waren die Schmerzen schon so groß, dass Herr Storch nicht einmal mehr das Bett verlassen konnte. Selbst eine speziell zusammengebraute und streng geheime Mixtur des berühmten Zauberkünstlers Alfredo Maredo Ratte - man munkelt sie bestehe aus Wüstenkraut und wildern Majoran - konnte ihn nicht mehr retten. Wenige Tage später war er sanft entschlummert Die Traurigkeit, die nach dem Bekanntwerden seines Todes wie eine dunkle Wolke über ganz Haarnadel schwebte, könnt ihr euch kaum vorstellen.
Doch schon nach einigen Wochen entschloss sich die Witwe die Flügel nicht mehr hängen zu lassen. Sie wollte von nun an mit Freude an ihren Mann zurückdenken und feiert seitdem alljährlich eine große Party.
Habt ihr schon einmal eine richtige Party vorbereitet, zu der ihr all eure Freunde und Bekannten eingeladen habt? Eine Mordsarbeit ist das, sag ich euch. Witwe Storch weiß sich jedoch zu helfen.
,,Wozu hat man denn Freunde?", sagt sie immer, wenn dieser besondere Tag wieder ansteht. Wie gut, dass die Familie Dachs aus Haarnadel so hilfsbereit ist. Stehen die flinken Dachse an diesem 13. Juli doch schon pünktlich um 8 Uhr morgens vor der Tür. Kaum hat die Witwe geöffnet, schwärmen sie in alle Richtungen aus. Schränke werden verschoben, chinesische Vasen und kostbare Nippesfiguren wandern in den Keller, der Teppich wird aufgerollt: Nun kann das Tanzparkett gebohnert werden. Auch in der Küche laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Die Dachskinder sind unschlagbar: 777 geschälte Kartoffeln und immer noch nicht müde. Trotzdem runzelt Chefkoch Biber verärgert die Stirn, als sie ihm bei der Arbeit die zweite Dose Cocktailkirschen stibitzen. ,,Aber, aber, Kinder, die Kirschen sind doch zur Dekoration", versucht er sich Gehör zu verschaffen, ,,und wehe, ich erwische jemanden beim In-der-Nasepopeln!"
Eine süffige Bowle wird in der Badewanne zubereitet: 2 l Aprikosensaft werden mit 2 l Maracujasaft, ½ 1 Grenadinensirup, ¼ 1 Zitronensaft und 50 1 feinsten, croissantischen Cognac verrührt und anschließend eine ganze Stunde gekühlt. Es dauert nicht lange, und die Hauptmahlzeit, Tannenzapfen in Sahnesauce, ist angerichtet. Und auch die Walnusscreme. die auf keiner Party der Witwe Storch fehlen darf, muss mir noch kaltgestellt werden.
Zum guten Schluss wird die Tafel festlich gedeckt. Das Service aus edlem Porzellan schimmert im Licht der Kerzen. Das Tafelsilber, Löffel, Gabeln und Messer in unterschiedlicher Größe, blitzt und blinkt. Und je drei Weingläser reihen sich zur rechten Seite eines jeden Tellers. Frische, weiße Leinenservietten warten darauf, der grollen Mahlzeit endlich Platz zu machen. Schon mischen sich im Sisal die Düfte der Kerzen und der Sahnesauce, um bald den Gästen begrüßend um die Nasen zu schwirren.
Und dann endlich kommen sie! Alle Bewohner von Haarnadel marschieren einer nach dem anderen den Waldweg entlang auf die Villa zu. Angeführt wird die Prozession von Bürgermeister Frosch. Dieser hat sich wie alle anderen Gäste ordentlich in Schale geworfen. Fr trägt Frack und Zylinder, und der Duft seines Aftershaves weht bis nach Schuppenhausen hinüber. Dicht auf seinen Fersen folgen ihm Gertrud Gans und Elli Eule, mit gedämpfter Stimme tuschelnd. ,,Ich hoffe, es gibt ,wieder die fantastische Walnusscreme zum Nachtisch. Sie ist einfach göttlich!", bemerkt Elli Eule und blickt schwärmerisch zum Himmel. ,,Ah, natürlich gibt es sie wieder", erwidert Gertrud Gans. ,,Walnusscreme ist für Witwe Storchs Party so unentbehrlich wie .. wie... ", Gertrud Gans zögert einen Augenblick, über einen passenden Vergleich nachdenkend, "wie der Nil für das Pferd!" ,,Wie der Nil für das Pferd?" Elli Eule bleibt einen Augenblick stehen und blickt Gertrud verwundert in die runden, schwarzen Gänseaugen. ,,Ich verstehe nicht, Gans." Dann schüttelt Elli jedoch nur ihren Kopf und trippelt voran, ohne sich weitere Gedanken zu machen. Fest steht für sie nur, dass Walnusscreme und Witwe Storchs Party ganz einfach zusammengehören.
Endlich an der Villa angelangt, wird jeder einzelne von der Hausherrin mit einer Umarmung begrüßt. Glaubt mir, bei der großen Anzahl der Besucher dauert diese Prozedur etwa zwei Stunden. So viele Gäste hat die gute Witwe nun doch nicht erwartet - kurzerhand wird die Festtafel um zwanzig Meter verlängert. Alle haben bunt verpackte Geschenke für die Gastgeberin mitgebracht. Was mag da wohl drin sein?
Die Besucher legen ihre Mäntel und Jacken in einem Zimmer ab, das der Butler schon am frühen Morgen ausgeräumt hat. Hier stapeln sich die Kleidungsstücke, und schnell wächst ein kunterbunter Kleiderberg herum, der bald am Kronleuchter gipfelt. Hungrig machen sich die Gäste daran, den P]atz an der Tafel einzunehmen, der ihnen von Tischkärtchen zugewiesen wird. So soll Drängelei und Streit vermieden werden. Letztes Jahr zum Beispiel artete die Platzverteilung in ein fürchterliches Tohuwabohu aus. Damals weigerte sich Gertrud Gans strikt, neben dein Stinktier Skinny Skunk zu sitzen. Sie behauptete, er verderbe ihr mit seinem Geruch den Appetit. Deshalb wird Skinny heute vorsichtshalber zwischen Eberhard Eber und seiner Frau Susi Sau am Tafelende platziert
Das Wildweinehepaar muss ebenfalls abseits sitzen, da sein lautes Geschmatze jedem auf die Nerven geht. Selbst Elli Eule beklagt sich immer wieder darüber, obwohl sie doch auf einem Ohr taub ist.
Endlich haben sich alle Gäste hingesetzt und die große Feier kann beginnen. Zunächst hält die Witwe wie jedes Jahr eine Rede auf ihren verstorbenen Mann. Die werten Gäste setzen aufmerksame und würdige Mienen auf - sehen wir mal wohlwollend von dem einen oder anderen gierigen Blick auf das Büffet ab. Auch das erleichterte Aufatmen einiger Anwesender als Witwe Storch ihre Rede beendet, wollen wir großzügig überhören.
Nun wollen sich alle mit Messer und Gabel bewaffnet auf das Essen stürzen, da erhebt sich doch tatsächlich der Bürgermeister, um ebenfalls eine Rede zu halten. Brummelnd und seufzend lassen die Gäste das Besteck wieder sinken. Der Anstand gebietet, auch dem Bürgermeister zuzuhören, oder, besser gesagt, so zu tun als ob. Er dankt Witwe Storch im Namen aller Anwesenden für die Einladung zur Feier, für das zu erwartende delikate Essen und nicht zuletzt für die großzügige Spende an das Waisenhaus von Till Feldhase. Je länger er dankt und je länger er redet, desto tiefer senkt sich jedem Gast der Magen. Bevor der Bürgermeister aber dazu ansetzen kann, Witwe Storch zur Ehrenbürgerin zu ernennen, muss er seine trockene Kehle mit einem Schlückchen Wasser benetzen. Weil nun alle denken, dass er seine Rede - Gott sei Dank! - abgeschlossen habe, nehmen sie ihr Besteck wieder zur Hand und stürmen auf das Büfett. Bürgermeister Frosch schaut verdutzt drein, ist er doch erst bei der Hälfte seiner Rede angekommen. Witwe Storch lächelt ihm aufmunternd zu.
"Halb so schlimm", sagt sie, ,,machen Sie einfach nächstes Jahr da weiter, wo Sie heute aufgehört haben." An der Tafel herrscht bald wildes Treiben. "Mmm, ist das nicht fantastisch?" grunzt Eberhard Eber neben Skinny Skunk, und wild schmatzend veranstaltet er eine riesige Schweinerei rund um seinen Teller. ,,Vorzüglich", stimmt Skinny ihm zu,"könnte meiner Meinung nach aber noch ein bisschen deftiger sein." Und so hüllt er sein Essen in eine riesige Duftwolke, um ihm die richtige Würze zu geben, - worauf Gertrud Gans ihm vom anderen Ende der Tafel giftige Blicke zuwirft.
Es wird gemampft und geschlemmt, geschmatzt, geschnattert und gegrunzt, gepiepst und gepupst, jeder so wie es ihm beliebt. Nur Elli Eule hält sich mit dem Essen zurück, passt doch nicht so viel in ihren kleiner Eulenmagen. Sie schielt sehnsüchtig auf den Nachtisch. Aah .. welche Freude, welche Wonne, als der Butler endlich den Wagen mit dem Dessert anrollt: die berühmte Walnusscreme aus dem Hause Storch! Elli genießt Löffel für Löffel. Einfach köstlich! Der erlesene Wein aus Safarika lässt die Wangen der Besucher erröten. Als die Gäste fürs erste gesättigt sind und die Stimmung immer ausgelassener wird, kann der zweite Teil der Party beginnen.
der Besucher erröten. Als die Gäste fürs erste gesättigt sind und die Stimmung immer ausgelassener wird, kann der zweite Teil der Party beginnen.
Um Punkt zehn Uhr betreten ,,Die fabelbaften Grizzly Boys" den Saal. Wie bitte? Ihr kennt die "Gryzzlys" nicht? Anscheinend wart ihr noch nie in Langenzopf. Hier nennt man sie das Sahnehäubchen der Jazzmusik.
Ich muss sie euch unbedingt vorstellen: Der Held des gesamten weiblichen Publikums ist Cocktail Bär. Dieser coole Bassist legt sein ganzes Gefühl in den Rhythmus und nimmt seine Sonnenbrille selbst beim Schlafen nicht ab. Am Schlagzeug trommelt und wirbelt Spooki Gockel, und der geniale Foxi Fuchs, ein Meister der Improvisation, ist auf das Piano abonniert. Mit ihrer rauchigen Stimme gibt die Sängerin Lena Gans, die Cousine von Gertrud, der Band ihren unverwechselbaren Charme.
Mit den "Grizzlys" tritt heute ein Klarinettist auf, den Witwe Storch noch nie gesehen hat. ,,Wer ist dieser forsche Frosch, er spielt ganz ausgezeichnet? '', wendet sie sich an den Bürgermeister, der mit einem Glas Champagner neben ihr steht.
"Das ist mein Neffe, Karl Frog", erwidert der Bürgermeister stolz. ,,Wissen Sie, Frau Storch, mein Neffe hat ein hartes Schicksal hinter sich." Und nun erzählt er der Witwe von Karl, der vor langer Zeit nach New Schopf - das liegt in Ahairika - ausgewandert ist: Er wollte dort sein Glück als Musiker versuchen. Eines Tages lernte er in einem kleinen New Schopfer Club einen jungen Hüpfer kennen und verliebte sich Hals über Kopf. Frisch verheiratet reisten Karl und das wunderschöne Froschmädchen von Konzert zu Konzert durch ganz Ahairika.
,,Leider wurde mein Neffe schon bald bitter enttäuscht", erzählt der Bürgermeister und nippt an seinem Glas, ,,von einem Tag auf den anderen verließ ihn seine Frau wegen Bill Chicken, einem steinreichen Politiker. Warum auch weiterhin mit dem scheppernden Bulli über die staubigen Straßen von Ahairika kurven, wenn man doch mit Chickens Privatjet um die ganze Welt düsen kann?"Weil Karl am Boden zerstört war, hielt er es nicht länger in Ahairika aus und kehrte wieder nach Langenzopf zurück
Doch an diesem Abend hat Karl all seine Sorgen vergessen Zusammen mit der Band spielt er den heißesten Jazz, den ihr euch denken könnt, und alle tanzen ausgelassen. Was für ein Spaß! Es wird gejauchzt und gegrölt, gedreht und gewirbelt. Witwe Storch ist kaum zu bremsen. Sie schwingt ihre klapperdürren Beine, dass ihr Tanzpartner, der Bürgermeister, kaum mithalten kann. Gäbe es aber einen Preis für den ungewöhnlichsten Tanz, wäre er Susi Sau sicher. Stellt sich die dickbäuchige Frau Sau doch tatsächlich auf den Tisch und wackelt und wabbert mit all ihren Rundungen, dass es den Gästen allein beim Zuschauen schwindelig wird. Nur der greise Steppenwolf ist zu alt, um zu tanzen. Er sitzt zufrieden in einem breiten und bequemen Ohrensessel, raucht seine Pfeife und wippt mit beiden Beinen locker zum Takt der Musik. Oh, der alte Steppenwolf weiß, was gute Musik ist, er kennt sich aus mit dem Jazz, sage ich euch!
"He, Elli, sind die Grizzlys nicht gut? Hörst du, wie der Bass bei jedem Song von vorne bis hinten durchläuft?", ruft er der halbtauben Elli Eule zu, die neben ihm auf der Armlehne sitzt. "Ich sage ja immer: ´Bass, besser, am besten´. Ha! Ha! Ha!" Und der Steppenwolf klopft sich vor Freude über seinen Witz auf die Schenkel und lacht so heftig, dass er beinahe seine Pfeife verliert. Weil Elli sich krampfhaft ihren Bauch hält und dabei fast von der Sessellehne fällt, reißt Steppenwolf einen schlechten Witz nach dem anderen. ,Der Gute kann ja nicht ahnen, dass Elli nicht über seine Späße lacht, sondern unter fürchterlichen Bauchschmerzen leidet. Das war wohl zu viel Walnusscreme für den kleinen Eulenmagen, nicht wahr, Elli?
Erst als der letzte Tropfen Wein getrunken und kein Tannenzapfen mehr übrig ist, nimmt die Party ein Ende. Alle Gäste machen sich spät nach Mitternacht auf, um nach Hause zu gehen. Zu schwanken vielmehr, denn ich glaube nicht, dass einer der Gäste noch gerade gehen kann. Der Butler, sichtlich ermüdet, öffnet die Tür zu dem Zimmer, das als Garderobe dient. Oh je, wie soll man in diesem Gewusel sein Kleidungsstück wieder finden?
Aber beschwipst und gutgelaunt nimmt jeder einfach das nächstbeste Stück, das ihm in die Pfoten gerät. Nachdem sich die Gäste von Witwe Storch verabschiedet haben, bilden sie eine Schlange und tanzen, angeführt von Susi Sau, mit einer Polonaise aus dem Haus. Weder schert sich Bürgermeister Frosch darum, den Mantel von Hugo Hirsch zu tragen, noch kümmert es diesen, die Jacke von Elli Eule erwischt zu haben. Nur Gertrud Gans fühlt sich in ihrem neuen Kleidungsstück nicht wohl. Hat sie doch ausgerechnet Skinny Skunks Jackett erwischt.
Und so marschieren unsere Langenzopfer in langer Reihe über den Waldweg und lassen die hell erleuchtete Villa der Witwe Storch hinter sich zurück.
In der Villa packen die Musiker ihre Instrumente zusammen. Witwe Storch begleitet Karl Frog zur Haustür: ,,Ihre Musik hat mir sehr gefallen." Frog schaut auf den Boden, so dass Witwe Storch nicht sehen kann, wie er vor Verlegenheit ergilbt (Ja, ihr habt richtig gelesen. Wenn sich Frösche schämen, nimmt ihr Gesicht einen furchtbar lächerlich wirkenden Gelbton an). Und mit solch einer Gesichtsfarbe will sich Karl Frog natürlich nicht von der Witwe verabschieden.
,,Ihre Musik kommt von Herzen", fährt sie fort, "ich werde mich dafür einsetzen, dass Ihr Klarinettenspiel in ganz Langenzopf und noch weit darüber hinaus berühmt wird."
So verabschieden sich die beiden voneinander. Witwe Storch schließt die Tür und steigt langsam das Turmzimmer hinauf. Hierhin zieht sie sich immer zurück, wenn sie Ruhe zum Nachdenken braucht. Die Flügel auf das Fensterbrett gelegt, schaut sie aus einem der Fenster. Tiefschwarz hat sich die Nacht wie ein Schleier über ganz Langenzopf gelegt. Immer wenn sie Besuch gehabt hat, erscheint ihr das Haus größer und leerer als zuvor.
Doch was ist das? Witwe Storch hält plötzlich in ihren Grübeleien inne. Aus dem Dunkel unter ihrem Fenster erklingen leise Töne, zunächst kaum hörbar, dann immer lauter werdend und langsam eine wunderschöne Melodie formend. Diese Töne sind der Witwe wohlbekannt, und sie weiß sofort, wer der unsichtbare Musiker ist. Und richtig, hinter einem Brombeerstrauch tritt Karl Frog hervor. Während er auf der Klarinette spielt, schaut er zur Witwe empor, die sich am Fensterbrett festhält. Ihr Storchenherz schlägt heftig und ihre Knie werden ganz weich.
Aber Karl spielt und spielt und hätte wahrscheinlich noch bis zum Morgengrauen musiziert, wäre er nicht durch ein lautes Poltern plötzlich aufgeschreckt.
Karl stürzt in die Villa und mit mächtigen Froschhüpfern springt er die Treppe zum Turmzimmer hinauf und reißt die Tür auf. Er sieht Witwe Storch ohnmächtig auf dem Fußboden liegen. Er beugt sich über sie und klopft ihr einmal, zweimal vorsichtig auf beide Wangen und flüstert: ,,Ich wollte sie mit meiner Musik nicht erschrecken. Ich habe für sie gespielt, weil…. …. weil - sie sind einfach zu reizend." Die Ohrringe der Witwe klimpern leise, sie selbst gibt keinen Ton von sich. Karl ist verzweifelt, doch in dem Leben eines jeden Frosches kommt irgendwann der Moment, wo ein Kuss mehr hilft als tausend Worte.
So nimmt Karl seinen ganzen Mut zusammen und küsst die Witwe mit einem lauten Schmatzer auf die Schnabelspitze. Und wirklich, es hilft. Sie schlägt die Augen auf und lächelt ihn vielsagend an. Karl antwortet mit einem glücklichen Breitmaulfrosch-Grinsen.
Was gibt es mehr zu erzählen? Den Rest der Geschichte wisst ihr doch längst. Die beiden werden ein Paar und wollen im nächsten Jahr ihre Hochzeit feiern. Es versteht sich dabei von selbst, dass die nächste Party doppelt so groß werden muss. Denn es sind nicht nur alle Einwohner von Haarnadel eingeladen, auch Karls Freude aus New Schopf sind herzlich willkommen.
ENDE
Ach, das hätte ich doch fast vergessen, schaut doch mal auf die rechte Seite...
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