Tear

Von: Luca, Alter: 15

Fröhlich wieherte Tear* , meine Stute, mir aus ihrem Stallauslauf zu. Wenn man bedenkt, was sie alles hinter sich hat, kann man nicht glauben, wie sie sich gemacht hat. Sie hat einen langen Weg hinter sich und die Geschichte wie sie zu uns kam, ist unglaublich... Tear wurde mit einem halben Jahr von ihrer Mutter getrennt und verkauft. Viel zu früh für so ein zartes Geschöpf. Es fand sich auch schnell ein Käufer, der sie zu sich nahm. Ist ja klar, wer träumt nicht von einer echten eigenen Schimmelstute. Bildhübsch ist sie: Ein Schimmel mit dunkler Mähne, einem schönen Kopf und mit einer guten Figur. Der Besitzer bildete sie zu einem „Dressurpferd“ aus. Ausbilden kann man nicht sagen, gezwungen durch Schläge und andere Quälereien. Sie gewann viele Preise: Vom Dressurreiten bis zu Schönheitswettbewerben allerart. Doch niemand ahnte, was in Wirklichkeit mit Tear passierte. Diese Stute wurde gebarrt ** für die wichtigsten Turniere und Landesmeisterschaften. Die äußerlichen Wunden heilten zwar schnell doch die inneren hatten sich tief in Tear`s Seele gebrannt. Irgendwann nach ein paar Jahren als gefeierte Turnierkönigin, bekam Tear eine schlimme Augenentzündung. Der stolze und jetzt auch besorgte Besitzer rief natürlich den Tierarzt. Der Tierarzt verschrieb eine Salbe, die man zweimal täglich auf das entzündete Auge auftragen sollte. Morgens und Abends. Es schien besser zu werden mit dem Auge des edlen Rosses. Doch dann.. Tear`s Besitzer wollte wie üblich die Augensalbe auftragen. Tear hielt für einen kurzen Augenblick nicht still, weil sie an diesem Tag nervös war, und schon war es passiert: Ihr Besitzer rutschte mit der Tubenspitze ab und verletze ihr Auge. Sie ließ niemanden mehr an ihr verletztes Auge und musste in eine Tierklinik. Doch jede Hilfe kam zu spät. Sie erblindete an ihrem rechten Auge. Das gefiel ihr gar nicht, sie konnte einen Großteil ihrer Umgebung nicht mehr sehen. Pferde sehen sehr gut die Bewegungen um sich herum, damit sie sich schützen können vor irgendwelchen Gefahren. Sie sind auch Fluchttiere und laufen vor Gefahr schnell weg. So wurde Tear ängstlich und auch noch sehr unruhig. Tear`s Besitzer kam anscheinend von da an nicht mehr mit ihr aus und wollte sie verkaufen. Doch alle Interessenten sahen nur das Auge, das sie als hässlich empfanden. Sie sahen nicht die wunderschöne Tear die ich euch am Anfang beschriebe habe. Der Besitzer rief bei unserem Gnadenhof „Sonnenuntergang“ (Sonnenuntergang weil die gequälten und misshandelten Tiere hier einen schönen Lebensabend verbringen sollten und weil bei uns ihre Sonne, also das Leben des Tieres, erlischt) an. Entweder wir nahmen Tear auf oder sie müsste eingeschläfert werden oder noch schlimmer: zu einem billigen Abdecker ins Ausland. Natürlich nahmen wir die Stute bei uns auf. Der Besitzer kam zu uns mit einem großen Pferdeanhänger in dem Tear unruhig wieherte. Er lud sie mit hochrotem Kopf bei uns ab. Er hatte einen hochroten Kopf weil Tear ein ziemliches Theater beim Aussteigen veranstaltete. Tear`s Besitzer fuhr nach einem kurzem Gespräch mit Tempo 100 von unserem Hof. Ich persönlich glaube, er war froh, sein behindertes Pferd los zu haben. Mein Vater und gleichzeitig auch der Leiter dieses Hofes schenkte sie mir. Ich pflegte sie gesund und sprach und berührte sie viel, damit sie wusste, wo ich bin und nicht dauernd den Kopf umdrehen musste. Tear braucht immer noch viele Streicheleinheiten und wenn ich mal keine Zeit habe wird sie „krank“ – damit ich mir mehr Zeit für sie nehme. Als sie etwa zwei Monate bei uns war, kam, was für ein Wunder, der alte Besitzer von Tear! Mit ihm hatte keiner mehr gerechnet. Er wollt nur mal nachsehen wie es „seinem“ Pferd geht. Zwei Karotten hatte er auch mitgebracht. Tear nahm sie auch an, aber dann ignorierte sie ihren alten Besitzer. Und wer hätte es nicht gedacht: Ihr früherer Besitzer ließ sich von da an nicht mehr auf unserem Hof blicken. Er hat nun „leider“ ein anderes Pferd. Tear ist nun schon seit 5 Jahren auf unserem Hof. Sie weiß, dass sie jetzt nicht mehr umziehen oder „arbeiten“ muss aber trotzdem gut versorgt und umsorgt wird. Ihre Mähne ist inzwischen weiß geworden, Schimmel werden nämlich mit der Zeit immer weißer. Regelmäßig werden ihre Hufe gepflegt und geraspelt, weil zu lange Hufe den Sehnen und dem Huf selber schadet. Sie hat jetzt ihren „eigenen“ Hengst und ist jetzt so ziemlich zufrieden mit ihrem Leben. Kurz nach ihr kamen zwei junge Pferde zu uns. Mit ihnen spielt sie viel und ärgert sie auch ab und zu. Aber wie die zwei jungen Pferde zu uns kamen, ist eine andere Geschichte... ENDE ( Diese Geschichte ist nur frei erfunden, doch es gibt solche Fälle auch in echt!) *Tear= Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt heißt es ´Träne´ **gebarrt: Pferde werden mit einer Stange geschlagen (an die Fesseln), damit es das nächste Mal höher springt! Dies ist strafbar und man verletzt das Pferd!